Kihnu Natur

Diese kleine Landspitze ist mit dem Meer dermaßen verbunden, dass die ganze Natur von Kihnu vom Meer gestaltet, geprägt und bestimmt wurde. Es sind nicht nur die anziehende Seeküste oder zahlreiche Holme mit den Brutvögeln, das Meer beeinflusst auch all das, was im Landesinneren lebt und wächst: Bäume, Pflanzen, Landschaft, Tiere. Natürlich hängen auch die Menschen vom Meer und der von ihm umgestalteten Natur ab.

Um die Bekannschaft mit der Natur von Kihnu zu machen, ist es angemessen, mit einem Fahrrad zu fahren. Damit kann man alles besser sehen, hören, fühlen und spüren…

Holme – ein Vögelparadies

Die flache und steinige Küste ist von Riffen und Holmen umgeben, zusammen sind das sogar 56 Holme, 8 davon sind große Grundstücke, die man auch im Falle eines erhöhten Wasserstandes betreten kann, ohne sich die Füße nass zu machen. Die Meerenge von Kihnu ist ein Nist-, Häutungs- und Transitgebiet von europaweiter Bedeutung und deswegen liegen alle Holme im Naturschutzgebiet und in der Vogelbrutzeit: im Zeitraum vom April bis zur Mitte Juli darf man nicht hierher kommen.

Auf die Frage, wieviele Vögel es in Kihnu gibt, findet man eine einfache Antwort: der Himmel ist voll davon. Um aber konkreter zu sein, zählte im Jahre 2017 die Umweltagentur von Kihnu auf den Holmen eine Rekordzahl der brütenden Vögel: allein auf dem Holm Imutlaid wurden 4300 Vogelpaare gezählt, zusammen 24 verschiedene Arten, hauptsächlich Seeschwalben und Möwen. Selten vertreten ist die Kolonie der Raubseeschwalben, die sich auf dem Holm Sangelaid wie zu Hause fühlen. Jeden Sommer gibt es auf den Holmen von Kihnu drei Brandseeschwalbenkolonien bis zu einem halben Tausend von Vogelpaaren – solch eine große Population ist ebenfalls eine Ausnahme. Die Kormoranenzahl wächst intensiv, im Jahre 2017 wurden auf dem drittgrößten Holm 2906 Neste von Kormoranen gezählt. In Kihnu wurde der eintägige Vogelbeobachtungsrekord von Sperber und Erlenzeisigen erzielt.

Symbiose zwischen Mensch und Gänsesäger

Der erste Besuch der Insel Kihnu kann einen überraschen: warum hängen hier Hundehütten an Bäumen? Allerdings klettern hiesige Hunde nicht auf Bäume. Das sind traditionelle Kihnuer Nistkästen, gebaut für die wichtigste Vogelart – den Gänsesäger.

Der Gänsesäger kann als Symbolfigur von Kihnu gelten. Die Bewohner von Kihnu und die Säger haben das geheime Abkommen über die gegenseitige Unterstützung geschlossen: der Mensch baut für den Vogel einen Nistkasten und bekommt als Gegenleistung Eier. Es ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass man durch die Entnahme von Eiern die Vogelpopulation nicht senkt. Im Gegenteil aber, wenn man alle Eier im Nest zurücklässt, schafft es die Henne nicht, sie auszubrüten. Der Bewohner von Kihnu weiß, dass eine passende Menge 10 bis 15 Eier sind, dann brütet die Henne alle Küken aus.

Damit ist die menschliche Unterstützung noch nicht zu Ende, auch der Weg der Säger-Familie bis zum Meer kann lang und gefährlich sein, Krähen, Möwen und Katzen sind bereit für eine Jagd. Nicht ungewöhnlich ist der Anblick, wo eine Frau mit der Schürze Sägerküken ans Meer führt oder ein Mann der Vogelfamilie den Weg sichert.

Auf den Küstenwiesen haben die Kühe zu schaffen

Die Küstenwiesen wären in Kihnu in Vergessenheit geraten, weil in Bauerhöfen Tiere nicht mehr gehalten werden – jetzt aber haben die tüchtigen Kühe an der mit Schilf bewachsenen Küste zu schaffen. Die schottischen Bergrinder und Hereford-Rinder pflegen das Küstengebiet des Weidelandes, auf den weniger mit Schilf bewachsenen Flächen sind auch Schafe hilfreich. Zu dem fleißigen Arbeitsteam gehören ungefähr 150 Kühe und über 300 Schafe. Die Tiere haben noch viel zu tun, weil auf den Küstenwiesen in der Zwischenzeit viel Schilf gewachsen ist.

In Kihnu, besonders an der Ost- und Westküste sind auch Wacholderwiesen anzutreffen.

Kiefernwald – eine riesengroße Sehenswürdigkeit

Selbst wenn man den Eindruck gewinnt, die Insel sei bewaldet, stammt das Feuerholz vom Festland und es wird lediglich Holzeinschlag zur Pflege des Waldbestandes vorgenommen. Der Baum von Kihnu ist Kiefer, aber der große Teil des Kiefernwaldes wurde künstlich angepflanzt. Noch am Ende des 17. Jahrhunderts war lediglich 2 -3% der Insel mit Wald bewachsen.

Nördlich liegt vor allem Kiefernwald, im Süden Mischwald. Fichte ist auf der Insel eine Seltenheit und diese wenigen Bäume wurden von den Menschen angepflanzt.

Bäume wurden aus zwei Gründen angepflanzt: um Nutzholz zu bekommen und Dünensand zu sichern. Ebenfalls entsteht im Waldboden Humus, das zugunsten der Flora ist.

Leider kann man nicht behaupten, dass der Waldboden von Kihnu so sauber ist, dass dort keine Äste herumliegen. Der größere Teil der Wälder gehört dem estnischen Nationalzentrum für Management der Waldressourcen, das es nicht erlaubt, die gebrochenen Äste aufzuräumen, damit eine Fäulnisschicht entsteht und der Boden reicher an Humus ist.

Allerdings sieht man heutzutage Frauen, die den Waldboden harken und Kiefernzapfen sammeln, um sich Anbrennholz zu beschaffen und auf diese Weise säubern sie den Waldboden. Der Kiefernwald auf trockenem Sandboden ist in Kihnu so stark verteten, dass er eine riesengroße Sehenswürdigkeit darstellt.

Strände

Die drei besten Orte zum Schwimmen sind: der schöne Sandstrand Rock City, der flach abfallende und steinige Strand Linaküla und der sich in der Nähe des Leuchtturms befindende Strandstreifen. Schwimmen kann man in allen, aber man muss Geduld aufbringen, um so weit laufen zu können, bis das Wasser tief genug wird. Das flache Küstenwasser ist zum Baden angenehm warm.

Die Halbinsel Kakra

Vom Strand Rock City führt ein Weg zum wunderschönen Ort, genannt Spitze Pilli und dort beginnt die vier Kilometer lange Halbinsel Kakra. Die Legende besagt, dass Männer von Kihnu und Tõstamaa entschieden haben, gemeinsam eine Brücke zu bauen. Die Männer von Kihnu hatten damit angefangen, aber sobald sie gesehen hatten, dass die Männer von Festland sich drücken, unterbrachen auch sie ihre Arbeit.

Tiere

Auf der Insel leben Füchse, Marderhunde, Hasen und Wiesel. Igel sind in der letzten Zeit viel weniger geworden – der Grund dafür sind viele Füchse und eine Infektioskrankheit der Igel.

Da der Kontinent nicht weit entfernt ist, kann ein Wildschwein oder ein Elch als verirrter Besucher manchmal zur Insel schwimmen oder auch übers Eis kommen und auf der Stelle berühmt werden, denn ein großes Tier ist auf der Insel eine wichtige Figur…

Pflanzen

Im Frühling kann man auf den Marschweiden an der Küste oder entlang der Straßen blühende Orchideen vorfinden, die unter Naturschutz stehen. Die kalkhaltige Fläche der Insel ist für Orchideen ein geeigneter Lebensraum.

Von den selten gewordenen Pflanzenarten wächst in den Sanddünen der Insel Stranddistel, der eine Küstenpflanze ist und in Estland schon seit Tausenden von Jahren vorkommt. In Kihnu gibt es die größten Lebensräume dieser unter Naturschutz stehenden Pflanzen in ganz Estland. Während Stranddisteln woanders vereinzelt wachsen, bilden sie in Kihnu große Gestrüppe, in vier Habitaten sind es zusammen 6200 Exemplare.

Die attraktive Stranddistel sollte man nicht mit Meerkohl verwechseln, von dem es an der Küste von Kihnu so viel wächst, dass immer am Frühlingsanfang erscheinende Blüten die Küste verzieren.

Der Frühling kommt mit Meeresklima auf die Insel ein paar Wochen später als aufs Festland, nichtsdestoweniger ist es ein prachtvoller Frühling. Am Frühlingsanfang bläuen und glänzen die Waldböden abwechselnd, ist es nun Blütezeit von Leberblümchen oder von Windröschen. Wenn der Frühling an Geschwindigkeit zunimmt, schaltet sich auch Geruchssinn ein – Kihnu ist mit Fliedern übersät und duftet betörend, in der Blütezeit von Maiglöckchen ist es ähnlich.

Die in einer Apotheke verkaufte Primeltee stammt höchstwahrscheinlich aus Kihnu, aber Primel schimmern auch auf den Marschweiden von Kihnu gelb. Man findet auf der Insel reichlich verschiedene Heilpflanzen und viele davon erscheinen dann in Apotheken.